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Konzertkritik vom 22.11.16

Konzertkritik LKZ vom 22. November 2016. Foto: Benjamin Stollenberg

Klanggemälde öffnet die Sinne

Außergewöhnliches beim Herbstkonzert des Strohgäu-Sinfonieorchesters

MÖGLINGEN. Meeresrauschen dringt von der Empore in den Saal im Bürgerhaus. Regengeräusche antworten von der Bühne, auf der vor den leeren Stühlen des Orchesters ein Marimbafon steht, aber kein Mensch zu sehen ist. Vogelstimmen ertönen, ein exotisch wirkendes Klangdickicht entsteht, bis schließlich Se-Mi Hwang hinter der Marimba zum Vorschein kommt. Gemeinsam mit dem Paukisten des StrohgäuSinfonieorchesters (SSO) eröffnete dessen neue Dirigentin die Premiere des diesjährigen Herbstkonzerts mit der Komposition "Ghanaia", die der Marimba-Virtuose Matthias Schmitt 1996 geschrieben hat. Dieser höchst ungewöhnliche Auftakt kommt nicht von ungefähr: Die Nachfolgerin von Aki Schmitt begann nicht nur an der Pauke ihr Engagement beim SSO, sondern unterrichtet auch Marimba und Percussion an der Musikhochschule in Mannheim. Und weil ihr musikalische Bildung ein echtes Anliegen ist, hat sie das Herbstprogramm des SSO als Familienkonzert konzipiert - mit dem Schlagzeugsolo als erster Teil.

Das vielfältige Klangspektrum der Welt der Kleinpercussion scheint gerade für die jungen Zuhörer wie gemacht dafür, die Hörempfmdung zu sensibilisieren, die Sinne zu öffnen für die feinen Unterschiede des Raschelns, Rauschens, Klopfens und Schlagens. Ob Hwang ihr Percussionarsenal an Oceandrums, Rainmakern, Glocken, Klangschalen und -hölzern vorstellte oder demonstrierte, was sich mit vier Schlegeln auf der Marimba realisieren lässt, Jung und Alt hingen ihr förmlich ap den Lippen.

Auch für den zweiten Teil, Modest Mussorgskis Programmmusik "Bilder einer Ausstellung" (1874) in Ravels Bearbeitung für Orchester, hatte man sich Besonderes einfallen lassen: Der Moderator Cornelius Nieden mimte den verzweifelten Museumsdirektor, dem nicht nur die Gemälde der Ausstellung gestohlen wurden, die er soeben eröffnen wollte, sondern auch die Erinnerung an die Motive. Daraufhin lässt die Dirigentin mithilfe des SSO ihren optischen Eindruck akustisch wiederauferstehen, was den rund 45 Musikern in lebendigen Farben und vollem Ensembleklang so gut gelingt wie in der vorangestellten Ouvertüre zu "Das Liebesverbot", einem selten gegebenen Frühwerk von Richard Wagner.

Quelle: Artikel der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 22. November 2016 von Harry Schmidt
Foto: Benjamin Stollenberg