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1960-1969

Das Protokoll des Wiederbeginns vom 23. Februar 1963Fast 10 Jahre später löste sich die Hauskapelle vom Gesangverein und stellte ihre Tätigkeit vorübergehend ein. Der Wunsch, ein unabhängiges, eigenständiges Orchester ins Leben zu rufen, blieb jedoch lebendig und wurde durch Erich Behrendts Initiative und mit der Unterstützung 9 weiterer ehemaliger Mitglieder der Hauskapelle endlich auch wahr: Am 23. Januar 1963 lud Herr Behrendt „zwecks Gründung eines Streichorchesters“ in den Gasthof ‘Hirsch’ in Schwieberdingen ein. „Alle Anwesenden erklärten sich zur Mitwirkung bereit, und so wurde beschlossen, unter dem Namen ‘Musikfreunde’, später geändert auf ‘Streichorchester Schwieberdingen’, ein Orchester zu gründen und ordnungsgemäß bei der Gemeinde anzumelden.“ So berichtet der damals mit der Kassen- und Schriftführung beauftragte Wilhelm Heß. Das Orchester setzte sich nun aus folgenden Mitgliedern zusammen:

  • Herr Behrendt (Leitung) Violine I
  • Frau Krause Klavier
  • Herr Schweitzer Akkordeon
  • Frau Swacek Violine I
  • Herr Jähnig Violine obligat
  • Herr Pridal Cello
  • Herr Aupperle Contrabass
  • Herr Dr. Swacek Flöte
  • Herr Lindel Klarinette
  • Herr Heß Trompete
  • Herr Steimel Posaune
  • Herr Rustler Schlagzeug

Herr Heß berichtet ferner: „Der Initiator, Herr Behrendt, hob mit einigen Lagen Cognac das Orchester aus der Taufe. Die Gläser wurden geleert mit dem Wunsche, das neugegründete Orchester möge lange bestehen und zur Freude und zum Wohle aller seinen Platz im Kulturleben der Gemeinde Schwieberdingen voll ausfüllen.“ Beim Lesen dieser Zeilen können wir heute bemerken, dass das Anstoßen mit einem guten Tropfen sein Ziel nicht verfehlt hat, da wir heute einem gut gediehenen und gesunden Geburtstagskind gratulieren können.

Die erste Probe des neugeschaffenen Orchesters fand am 30. Januar 1963 im Bahnhotel statt. Herr Heß führte über jede Probe genauestens Tagebuch. So ist der Bericht aus seiner Feder über diese erste Probe sicher sehr aufschlussreich: „Aller Anfang ist schwer, die lange Untätigkeit hat jeden aus der Übung gebracht. Den Bläsern fehlte der Ansatz; den Streichern der sichere Strich; das Klavier war schrecklich verstimmt. Die Stimmung unter den Spielern dagegen gut, das ist wichtig und lässt hoffen, dass es auch mit dem Spielen besser wird.

Die von Herrn Behrendt ausgewählten Stücke sind aber auch nicht gerade die leichtesten; es scheint, er wollte zunächst mal prüfen, was eigentlich alles in seinem Orchester drin ist. Hoffen wir, dass er den Mut nicht verliert und weitermacht.“

Es wurde aber nicht nur musiziert, sondern im Anschluss an die Probe auch über wichtige Probleme diskutiert. So „streckten 9 Orchestermitglieder den Betrag von insgesamt DM 571,30 vor“, um die dringend benötigten Pauken anzuschaffen.

Von nun an wurde im Gemeinschaftsraum der Grundschule am Berg geprobt. Anfang April 1963 sogar zweimal in der Woche. Am 30. April fand nämlich der erste öffentliche Auftritt des Orchesters anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Genossenschaftsbank Schwieberdingen (heute Schwieberdinger Bank) in der Turnhalle statt. Zu diesem Anlass wurde auch endlich das Klavier gestimmt.

Das Streichorchester Schwieberdingen 1964Um die Familienangehörigen der Orchestermitglieder in die Gemeinschaft einzubinden, fand am 22. Mai im Bahnhotel ein erster Familienabend statt, der neben musikalischen Darbietungen ein fröhliches und unterhaltsames Beisammensein beinhaltete. Diese Geselligkeit wurde auch weiterhin bei Ausflügen, Weihnachts,- Geburtstags- und Faschingsfeiern gepflegt. Am 5. Oktober 1963 spielte das Streichorchester mit Tanzmusik zum Richtfest des katholischen Kirchenneubaus auf. Im Repertoire waren „An der schönen blauen Donau“, „Geschichten aus dem Wiener Wald“, „Der Kalif von Bagdad“, „Annen-Polka“ und „Vogelhändler-Potpourri“. Nach der Einweihung der Kirche am 4. April 1965 stellte freundlicherweise die katholische Kirchengemeinde dem Orchester den Gemeindesaal für seine Proben zur Verfügung. Dieses Gastrecht wurde vom Orchester dankbar angenommen, das sich wiederum der katholischen Kirchengemeinde gegenüber seinerseits erkenntlich zeigen konnte, indem es wiederholt Gottesdienste, besonders zu Weihnachten, musikalisch umrahmte. Im Sommer 1985 wurden durch den Umzug in den größeren und helleren neuen Gemeindesaal die Probemöglichkeiten noch erheblich verbessert und über viele Jahre hinweg bis zum Bau des Bürgerhauses 1998 ausgenutzt.

Konzert am 12.12.1965 im Gemeinschaftsraum der Schule am Berg.Leider enden die ausführlichen Berichte von Herrn Heß bereits Ende 1963, da er nach einer Operation nicht mehr ins Orchester zurückkam. So konnte er auch beim ersten öffentlichen Konzert im Frühjahr 1964 im Gemeinschaftsraum der Schule am Berg nicht mitspielen. Man verließ nun die Gefilde der leichten Unterhaltungs- und Tanzmusik und wandte sich der klassischen Musik zu. Endlich konnte Erich Behrendt die Werke seiner Lieblingskomponisten Haydn, Mozart und Schubert unter seiner Stabführung in Töne umsetzen. Natürlich war dies nicht immer leicht, da es zunächst an geeignetem Notenmaterial, der richtigen Orchesterbesetzung und den erforderlichen Musikinstrumenten fehlte. Unentwegt suchte Behrendt Wege, sich neue Noten zu beschaffen. Für den Kauf von Instrumenten griff er oft tief in die eigene Tasche, und seine Frau ließ ihn gewähren. Alle Gespräche mit Kunden, Bekannten oder zufälligen Begegnungen drehten sich um Musik, so dass das Orchester dank seines eifrigen Werbens um neue Mitspieler bald eine beachtliche Streicher- und Bläsergruppe aufweisen konnte. Allerdings waren die wöchentlichen Proben nicht immer vollzählig besucht, was durch die berufliche Belastung aller Laienmusiker nur zu verständlich war, dem Dirigenten aber oft genug schwer zu schaffen machte.

Konzert am 12.12.1965 im Gemeinschaftsraum der Schule am Berg.

Als großer Glücksfall erwies sich da die Freundschaft zu seinem Berufskollegen Reif, der selbst als begeisterter Geiger in dem 1953 gegründeten Rotwegorchester in Zuffenhausen mitspielte. Durch ihn kam nun eine sehr rege Wechselbeziehung zwischen beiden Orchestern zustande, die einerseits im Austausch von Noten bestand, vor allem aber die gegenseitige Mithilfe von Musikern, besonders bei anstehenden Konzerten, beinhaltete. So wirkte zum Beispiel Frau Schmidt-Poll viele Jahre als Konzertmeisterin bei den Schwieberdinger Konzerten mit. Umgekehrt nahmen aber auch nicht wenige der Spieler des Streichorchesters regelmäßig an Proben und Konzerten des Rotwegorchesters teil, bis dieses im Jahr 1988 aufgelöst werden musste.