Konzertkritik der LKZ vom 21.5.19

Den letzten Ton spielt die Dirigentin selbst
Mit Bizet, Tschaikowski und Marquez verabschiedet sich Se-Mi Hwang vom Strohgäu-Sinfonieorchester
Ausgeprägt rhythmisiert, mit einem voluminösen Knalleffekt und schillernden Klangfarben, so stellte sich die Programmfolge der diesjährigen Frühjahrskonzerte des Strohgäu-Sinfonieorchesters (SSO) in Schwieberdingen und Hemmingen dar, mit denen Se-Mi Hwang ihre Abschiedsvorstellung als Dirigentin gab. Vor drei Jahren hatte Hwang den Taktstock von Aki Schmitt übernommen, nun beginnt für sie in Bälde der Mutterschutz.
Direkt in der Woche nach den Konzerten in Schwieberdingen und Hemmingen werden sich zwei Bewerber bei einem halbstündigen Probedirigat vorstellen, woraufhin die aktuell rund 50 Mitglieder des „Liebhaber-Sinfonieorchesters", so das Selbstverständnis des vor fast 70 Jahren gegründete Amateurensembles, in geheimer Wahl über die Neubesetzung der Position entscheiden. Oft sei das Abstimmungsergebnis in der Vergangenheit eindeutig, wenn nicht sogar nahezu einhellig gewesen, so Claudius Burg, der zweite Vorstandsvorsitzende des SSO, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Mit Aram Chatschaturjans ,,Konzert für Flöte und Orchester" hatte Hwang ein Werk in den Mittelpunkt gestellt, das der Komponist 1940 ursprünglich als Violinkonzert geschrieben hatte. Die Transkription von Jean-Pierre Rampal überträgt diesen optimistischen, virtuosen Schwung des Violinkonzerts auf die Flöte. Sabine Bauer-Berisha präsentierte den anspruchsvollen Solopart mit rasanten Legato-Ketten in der von Rampal eingefügten Kadenz des ersten Satzes. In der rhapsodischen Anlage des d-Moll-Konzerts verbindet Chatschaturjan frühlingshafte Hochgestirn m theit mit Einflüssen aus der kaukasischen Folklore. Auf den Punkt war das Porte im Finale. Insbesondere im langsamen, mittleren Satz brachte Hwang mit dem SSO den Klangfarben reichtum dieser Komposition zur Geltung. Militärisch hallte die Snare, kristallin die Harfe, die Streicher im Pizzicato. Tänzerisch bewegte der abschließende Walzer.
Zuvor hatten die mehr als 50 Musikerinnen und Musiker mit dem Hochzeitswalzer von Aurora und Desire aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskis „DornröschenSuite", mit deren Neuchoreografie Marcia Haydee 1987 einen der Grundsteine für den Welterfolg des Stuttgarter Balletts legte, eine passende Einstimmung gestaltet.
Nach der Pause erklang Aaron Coplands „Fanfare for the Common Man", gefolgt von „Buckaroo Hollyday" und „Hoe-Down", zwei Tanzsätzen aus seiner Ballettmusik „Rodeo". Kaum weniger ambitioniert waren die Auszüge aus Georges Bizets „Carmen Suite" Nr. 1 und Nr. 2 - bei der Habanera wippte der eine oder andere Kopf der rund 120 Besucher mit.
In Gestalt von Arturo Marquez' ,,Conga del Fuego Nuevo", bekannt durch Gustavo Dudamel und das Simón-BolivarYouth-Orchestra, brachte Hwang zum Abschluss noch lateinamerikanisches Feuer ins Spiel, bevor sie sich mit einer humorigen Interpretation von ,,The Typewriter" verabschiedete. Das kurze Stück hatte der US-amerikanische Komponist Leroy Anderson 1950 geschrieben, populär wurde es jedoch durch den Jerry-Lewis-Film ,,Der Ladenhüter" von 1963. Statt der Schreibmaschine gab es einen Dialog geriebener Kellen, bis Hwang mit einer Pfeife den Schlusspunkt formulierte.
Artikel in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 21. Mai 2019, Redakteur: Harry Schmidt. Fotos: Holm Wolschendorf, Karin Rebstock (Archiv)