Skip to main content

Konzertkritik der LKZ vom 21.5.19

LKZ vom 23.5.19

Den letzten Ton spielt die Dirigentin selbst

Mit Bizet, Tschaikowski und Marquez verabschiedet sich Se-Mi Hwang vom Strohgäu-Sinfonieorchester

Ausgeprägt rhythmisiert, mit ei­nem voluminösen Knalleffekt und schillernden Klangfarben, so stellte sich die Programmfol­ge der diesjährigen Frühjahrs­konzerte des Strohgäu-Sinfonie­orchesters (SSO) in Schwieber­dingen und Hemmingen dar, mit denen Se-Mi Hwang ihre Abschiedsvorstellung als Diri­gentin gab. Vor drei Jahren hatte Hwang den Takt­stock von Aki Schmitt übernom­men, nun beginnt für sie in Bälde der Mutterschutz.

Direkt in der Wo­che nach den Kon­zerten in Schwie­berdingen und Hemmingen wer­den sich zwei Be­werber bei einem halbstündigen Pro­bedirigat vorstellen, woraufhin die aktu­ell rund 50 Mitglieder des „Liebhaber-Sinfonieor­chesters", so das Selbstverständ­nis des vor fast 70 Jahren ge­gründete Amateurensembles, in geheimer Wahl über die Neube­setzung der Position entschei­den. Oft sei das Abstimmungs­ergebnis in der Vergangenheit eindeutig, wenn nicht sogar na­hezu einhellig gewesen, so Clau­dius Burg, der zweite Vorstands­vorsitzende des SSO, im Ge­spräch mit unserer Zeitung.

Mit Aram Chatschaturjans ,,Konzert für Flöte und Orches­ter" hatte Hwang ein Werk in den Mittelpunkt gestellt, das der Komponist 1940 ursprünglich als Violinkonzert geschrieben hatte. Die Transkription von Jean-Pierre Rampal überträgt diesen optimistischen, virtuo­sen Schwung des Violinkonzerts auf die Flöte. Sabine Bauer-Be­risha präsentierte den an­spruchsvollen Solopart mit ra­santen Legato-Ketten in der von Rampal eingefügten Kadenz des ersten Satzes. In der rhapsodi­schen Anlage des d-Moll-Konzerts ver­bindet Chatschatur­jan frühlingshafte Hochgestirn m theit mit Einflüssen aus der kaukasischen Folklore. Auf den Punkt war das Porte im Finale. Insbesondere im langsamen, mittle­ren Satz brachte Hwang mit dem SSO den Klangfarben­ reichtum dieser Komposition zur Geltung. Militärisch hallte die Snare, kristallin die Harfe, die Streicher im Pizzicato. Tän­zerisch bewegte der abschlie­ßende Walzer.

Zuvor hatten die mehr als 50 Musikerinnen und Musiker mit dem Hochzeitswalzer von Auro­ra und Desire aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskis „Dornröschen­Suite", mit deren Neuchoreogra­fie Marcia Haydee 1987 einen der Grundsteine für den Welter­folg des Stuttgarter Balletts leg­te, eine passende Einstimmung gestaltet.

Nach der Pause erklang Aaron Coplands „Fanfare for the Com­mon Man", gefolgt von „Bucka­roo Hollyday" und „Hoe-Down", zwei Tanzsätzen aus seiner Bal­lettmusik „Rodeo". Kaum weni­ger ambitioniert waren die Aus­züge aus Georges Bizets „Car­men Suite" Nr. 1 und Nr. 2 - bei der Habanera wippte der eine oder andere Kopf der rund 120 Besucher mit.

In Gestalt von Arturo Mar­quez' ,,Conga del Fuego Nuevo", bekannt durch Gustavo Duda­mel und das Simón-Bolivar­Youth-Orchestra, brachte Hwang zum Abschluss noch la­teinamerikanisches Feuer ins Spiel, bevor sie sich mit einer humorigen Interpretation von ,,The Typewriter" verabschiede­te. Das kurze Stück hatte der US-amerikanische Komponist Leroy Anderson 1950 geschrie­ben, populär wurde es jedoch durch den Jerry-Lewis-Film ,,Der Ladenhüter" von 1963. Statt der Schreibmaschine gab es einen Dialog geriebener Kel­len, bis Hwang mit einer Pfeife den Schlusspunkt formulierte.

Artikel in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 21. Mai 2019, Redakteur: Harry Schmidt. Fotos: Holm Wolschendorf, Karin Rebstock (Archiv)