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Interview LKZ vom 28.4.2016

news lkz 280416 interview aufmacherAmateurorchester sind einfach lebendiger

Interview

Se-Mi Hwang ist examinierte Schlagzeugerin. Beim Strohgäu Sinfonieorchester (SSO) hat sie im vergangenem Herbst den Taktstock übernommen. Am Rande der Proben zu den anstehenden Frühjahrskonzerten haben wir uns mit der jungen Dirigentin unterhalten.

Als Aki Schmitt seinen Abschied vom Pult des Strohgäu-Sinfonieorchesters bekanntgab, stand seine Nachfolgerin bereits hinter der Pauke parat. Seit Dezember schwingt die an der Musikhochschule Stuttgart als Percussionistin ausgebildete Südkoreanerin nun den Taktstock und hat für die anstehenden Frühjahrskonzerte mit dem 50-köpfigen Orchester ein reizvolles Programm einstudiert, das im Sinne einer Weltreise à la Jules Verne mit Werken von Johann Strauß, Camille Saint-Saens, Hector Berlioz, Claude Debussy, Jacques Offenbach, Edward Elgar und Antonin Dvorak unter anderem die Stationen Ägypten und Ungaren passiert, aber auch einen Blick in den Hades riskiert. Am Rande der Proben im Schwieberdinger Bürgerhaus stellte sich die Dirigentin den Fragen unserer Zeitung.

Was reizt Sie an der Arbeit mit einem Amateurorchester wie dem StrohgäuSinfonieorchester?

SE-MI HWANG: Nichts gegen professionelle Orchester, aber was Amateurorchester generell auszeichnet und unterscheidet, ist ihre größere Lebendigkeit. Dass Musik eben nicht ihr Beruf, sondern ihr Hobby, ihre Leidenschaft ist; die Freiwilligkeit, mit der wir uns jeden Dienstag hier zur Probe treffen - und die sind alle da, sind immer motiviert! Das mag wie eine Kleinigkeit erscheinen, aber man spürt das sofort. Ich gebe sehr gerne meine Energie und nehme daher auch sehr deutlich wahr, mit welcher Freude alle bei der Sache sind. Das macht mir total Spaß!

Und umgekehrt: Worin liegen die Herausforderungen bei der Arbeit mit einem Amateurorchester?

Natürlich merkt man, etwa bei schnelleren Läufen, dass die Musiker keine Profis sind. Wann sollen sie auch zum Üben kommen, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommen, Kinder haben und auch irgendwann schlafen müssen? Deshalb investiere ich viel Zeit in die Proben und verwende große Aufmerksamkeit darauf, mit den Musikern Sicherheit in solchen Passagen zu entwickeln. Ansonsten sehe ich meine Aufgabe darin, die Differenzierungsfähigkeit zu schulen und für musikalische Strukturen zu sensibilisieren, ganz allgemein das Gehör und die Sinne für Klangvorstellungen zu schärfen.

Was möchten Sie als Nächstes mit dem Strohgäu-Sinfonieorchester umsetzen? Welches Repertoire schwebt Ihnen über die laufende Saison hinaus vor?

Für das Herbstprogramm habe ich "Bilder einer Ausstellung" von Mussorgski ins Auge gefasst. Das soll allerdings etwas über die Musik hinausgehen, weshalb ich einen Schauspieler und Moderator dafür organisiert habe, und damit auch Familien und Kinder anspreche. Wenn ich in ein klassisches Konzert gehe, sehe ich da fast ausschließlich ältere Herren, was ich schade finde. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob man mit dieser Musik aufwächst oder nicht - der frühe Kontakt ist da maßgeblich prägend. Deshalb sind mir klassische Konzerte für Familien und Kinder ein großes Anliegen.

Sie sind in Korea aufgewachsen, seit fünf Jahren leben Sie im Schwabeniand. Welche Erfahrungen haben Sie mit der landestypischen Küche gemacht?

Ich esse nicht nur, sondern koche auch sehr gerne schwäbisch: Mein Schwiegervater ist ein sehr guter Koch und ich habe einige Rezepte von ihm übernommen.

Und wenn es um Musik geht: Wo liegen da Ihre privaten Vorlieben?

Ich habe früher unglaublich viel Klassik gehört. Ich weiß nicht, warum: Meine Eltern sind keine Musiker, niemand in meiner Familie ist Musiker. Als ich nach Europa kam, stellte ich dann fest, dass junge Leute in meinem Alter ganz andere Musik hörten, von Bands, die mir bis dahin nichts sagten. Ich fand aber auch über meine Schüler als Dozentin an der Musikhochschule rasch Gefallen daran und häre seitdem auch ganz gerne mal etwas härteren Rock. Wenn ich Freizeit habe, läuft also Metallica, System of a Down, AC/DC oder etwas in der Art.

Fragen von Harry Schmidt, Ludwigsburger Kreiszeitung vom 28. April 2016